Prof. Friedrich von Borries im Interview

"Wir brauchen mutige Strategien für die Stadt der Zukunft"

Friedrich von Borries im Interview mit Ulf Jacob (Grünes Bremen)
Friedrich von Borries im Interview mit Ulf Jacob (Grünes Bremen)

Grünes Bremen... Warum sollten sich Städte und Kommunen heute - gerade auch vor dem Hintergrund klammer Kassen - mit der Stärkung Ihrer Grün- und Freiräume befassen?

Friedrich von Borries... Klamme Kassen hin oder her - der Grün- und Freiraum ist der Zukunftsraum der Stadtentwicklung. Ein wichtiger Aspekt ist dabei - leider - der Klimawandel, auf den Stadtplanung reagieren muss. Hier gibt es viele Maßnahmen - sei es für Anpassung an oder perspektivische Vermeidung von Klimawandel – die mit "Grün" zu tun haben. Sie reichen von schattenspendenden Straßenbäumen zu gesamtstädtischen Frischluftschneisen. Aber auch unabhängig davon bestimmt Freiraum die Lebensqualität in einer Stadt. Er heißt ja nicht um sonst "Frei"-raum, weil es eben der Raum ist, in dem wir uns als frei erleben können.

 

GB... Grün ist in Bremen ungleich verteilt, der Mangel an Grün korreliert mit dem sozialen Gefälle in der Stadt. Taugt Grün auch als sozialpolitisches Instrument und ggf. wie?

FvB... "Umweltgerechtigkeit" ist hier das zentrale Stichwort. Meiner Meinung nach sollten alle Bewohner einer Stadt den gleichen Zugang zu Grün- und Freiraum haben. Viele Städte haben deshalb Programme, die sicherstellen, dass jede/r innerhalb einer bestimmten Zeit, z.B. 5 Minuten Fußweg, einen Grünraum erreicht. Gründe gibt es dafür viele. Grün ist gut für die Seele, im Grünen baut man psychologischen Stress ab, und außerdem ist körperliche Bewegung gesund. Außerdem ist Grünraum ein Bildungsraum, in dem ich etwas über Natur, über Jahreszeiten, über Tiere und Planzen lernen kann. Nehmen wir zum Beispiel das Gärtnern und den Anbau von Lebensmitteln: Es lehrt uns Grundsätzliches über das Leben - und ganz konkret etwas über gesunde Ernährung und gutes Essen. Aber der soziale Nutzen von Grün- und Freiraum geht noch viel weiter. Denn Grün- und Freiraum ist ein Erfahrungsraum, in dem wir soziales Miteinander einüben. Hier einzelne Gruppen auszuschließen oder zu benachteiligen, wäre falsch.

 

GB... Der Stellenwert von Grün in der (unserer) Stadt ist gering. Grün ist oft nur Flächenreservoir und "lästige" Begleiterscheinung der Bebauung. Wie kann es gelingen, die Bedeutung und den Wert von Grün zu stärken?

FvB... Praxistest - man kann zum Beispiel lange streiten, ob man auf einem Platz oder einer Straße den MIV (=motorisierten Individualverkehr) reduziert und dafür mehr Freiraum zur Verfügung stellt. Man kann aber auch einfach mal für ein Wochende andere "Regeln" einführen, und dadurch die Möglichkeit eröffnen, das "Andere" zu erleben. Stichwort wären hier "temporäre Interventionen", dafür kann man auch mit Künstlern zusammenarbeiten, weil es nicht nur um rationale Argumente geht (so und so viel Gramm Feinstaub wird reduziert …), sondern um ein direektes sinnliches Erleben. Damit erreicht man mehr als nur mit Reden, Reden, Reden.

 

GB... Brauchen wir neue Formate, neue Strategien? Welche könnten das sein?

FvB... Wir brauchen beides. Zum einen brauchen wir mutige, auch langfristige Strategien, ein Bild, wie wir sie uns für die Stadt der Zukunft vorstellen. Um dass zu entwickeln und umzusetzen, brauchen wir zum anderen neue Formate. Weder in der Planung noch in der Umsetzung geht nur "Top-Down", Stattdessen brauchen wir einen Prozess, der Ziele revidieren kann, der sich auch als "Learning by doing" versteht, und möglichst große Teile der Stadtgesellschaft integriert.

 

zu Friedrich von Borries:

Arbeitsfelder von Prof. Dr. Friedrich von Borries, der als Professor für Designtheorie an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg lehrt, sind Entwürfe und Strategieentwicklung ebenso wie wissenschaftliche Studien und inhaltliche Vermittlungsarbeit. Im Mittelpunkt seiner Tätigkeit steht das Verhältnis von Gestaltung und gesellschaftlicher Entwicklung. Als wichtigste Urbanisierungsstrategien der Zukunft nennt er die Grünraumplanung, die Rückeroberung der Straße, Anpassungsarchitekturen, Wassermanagement, autarke Energieversorgung und urbane Landwirtschaft.

Er sagt: »Als Wissenschaftler versuchen wir, die Welt zu verstehen. Als Gestalter versuchen wir, diese Welt zu verändern. Deshalb setzen wir uns forschend und entwerfend mit den politischen Fragen auseinander, die unsere Gegenwart bestimmen: Möglichkeiten gesellschaftlicher Transformation in Zeiten von wachsender globaler Ungleichheit, Umweltzerstörung und Klimawandel…..«

 

von Borries definiert urbanisieren:
"(..) urbanisieren bedeutet, die (..) Stadtentwicklung vom Grün aus zu denken. Vor dem Hintergrund von Klimawandel und neuen Lebensstilen definiert sich Qualität von Stadt mehr und mehr über die Freiraumqualität....und (..) als wichtigste Ressource."

 

Friedrich von Borries in der TAZ Bremen und im Weser Kurier


Weitere Informationen hier....

 

von Borries Weser Kurier 26.11.14.pdf
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